Teilprojekte
Die Ziele von PRACC werden durch vier eng miteinander kooperierende Teilprojekte verfolgt:
Die Komplexität des Phänomens Klimawandel stellt uns vor enorme ethische Herausforderungen. Treibhausgase verbleiben sehr lange Zeit in der Atmosphäre und beeinflussen die klimatischen Bedingungen auch für Menschen in ferner Zukunft. Der Klimawandel wird maßgeblich durch anthropogene Treibhausgasemissionen verursacht und hat überwiegend negative Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen. Dies wirft unmittelbar die Frage auf, welche Verantwortung gegenwärtige Generationen für künftige Generationen haben. Damit wird der gesellschaftliche Umgang mit dem Klimawandel zu einem Problem der intergenerationellen Gerechtigkeit.
Das ethische Teilprojekt beschäftigt sich hauptsächlich mit zwei Aspekten. Der erste Aspekt befasst sich mit der Beziehung zwischen intergenerationeller Gerechtigkeit und Freiheit im Kontext des Klimawandels. Dabei geht es zum einen um die Festlegung eines normativen Rahmens: Können die Einschränkungen der individuellen Freiheit gegenwärtig lebender Menschen gegen das Wohl gegenwärtig und zukünftig lebender Menschen abgewogen werden, die durch einen mit hohen Emissionen verbundenen Lebensstil geschädigt werden? Zum anderen werden auch Fragen der Verteilungsgerechtigkeit erörtert, die aufgrund ihrer globalen, zeitlichen, historischen und politischen Dimension schwierige Probleme mit sich bringt. Wer ist verantwortlich für die Kosten der Eindämmung der Emission angesichts der komplexen politischen und historischen Dimension, die zu den Machtstrukturen geführt hat, die durch den Klimawandel verstärkt werden könnten?
Der zweite Aspekt des ethischen Teilprojekts konzentriert sich auf praktische Fragen, die sich an der Schnittstelle von Klimaethik, Bioökonomie und Biodiversität stellen. Aufgrund der komplexen und weitreichenden Auswirkungen auf den Menschen bleibt der Verlust der Biodiversität trotz seiner unbestrittenen moralischen Relevanz häufig unberücksichtigt. Um diese Lücke zu schließen, soll die ethische Frage untersucht werden, warum genau Biodiversität erhalten werden und wie diese Erhaltung umgesetzt werden sollte.
Der sogenannte „Klimabeschluss“ des
Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 hat deutlich gemacht, dass
der Schutz der Freiheitsrechte von Personen über die Gegenwart
hinausgeht und sich auch in die Zukunft hinein erstreckt. Diese vom
Bundesverfassungsgericht so bezeichnete „intertemporale
Freiheitssicherung“ der Grundrechte wirft die Frage auf, in welchem
Verhältnis die Freiheitsrechte gegenwärtiger und künftiger Generationen
miteinander stehen.
Das rechtswissenschaftliche Teilprojekt
unternimmt eine umfassende Analyse des Konstrukts der intertemporalen
Freiheitssicherung und gibt einen Überblick über die juristischen
Herausforderungen. Dazu gehört auch eine eingehende Analyse des
Verhältnisses zwischen Art. 2 Abs. 2 (Freiheit der Person) und Art. 20a
GG (Verantwortung für künftige Generationen), insbesondere im Hinblick
auf die Verflechtung zwischen subjektiven Rechten und generellen
Staatszielen. Darüber hinaus wird auch die Beeinträchtigung zukünftiger
Freiheit als Rechtsgrundlage für die Einschränkung individueller Rechte
gegenwärtig lebender Menschen und politischer Entscheidungen beleuchtet.
Die
so gewonnenen Ergebnisse lassen sich zugleich auf spezifische
Anwendungsfelder eines intergenerationellen Gerechtigkeitsdiskurses
übertragen. Dies gilt vor allem für das rechtliche Rahmenwerk im
Hinblick auf den Schutz der Biodiversität. Die Tatsache, dass ein
erheblicher Teil der genetischen Ressourcen der Herkunftsländer vor
geraumer Zeit unter völlig anderen rechtlichen und geopolitischen
Rahmenbedingungen exportiert wurde, hat entscheidenden Einfluss auf den
heutigen sogenannten Nord-Süd-Konflikt. Die zentralen
Gerechtigkeitsüberlegungen spiegeln sich beispielsweise in der Anwendung
des Nagoya-Protokolls wider, insbesondere in der Frage der Ausdehnung
des Biodiversitätsrechts auf die sogenannten Digitalen
Sequenzinformationen (DSI) oder auch im Hinblick auf den Schutzstatus
von traditionellem indigenem Wissen. Das rechtswissenschaftliche
Teilprojekt wird somit zusätzlich einen erheblichen Erkenntnisgewinn
über spezifische Anwendungsbereiche – nämlich das Biodiversitätsrecht –
liefern.
Eine nachhaltige Form
des Wirtschaftens, die signifikant zu Treibhausgasminderungen und damit
zur Bekämpfung des Klimawandels beiträgt, erfordert die Abkehr von
fossilen Rohstoffen. Die Bioökonomie nutzt biologische Ressourcen und
Verfahren und kann auf diese Weise zu einer nachhaltigen Entwicklung
beitragen. Vor diesem Hintergrund befasst sich das bioökonomische
Teilprojekt mit vier Aspekten der Bioökonomie, die im Zusammenhang
intergenerationeller Gerechtigkeit von besonderer Relevanz sind.
Der
erste Aspekt bezieht sich auf die Intensität der Nutzung natürlicher
Ressourcen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass ein übermäßiger
Ressourcenverbrauch gegenwärtiger Generationen zur Bereitstellung von
Produkten (Lebensmittel, Futtermittel, Werkstoffe, Chemikalien, Energie)
die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen für künftige Generationen
einschränkt. Gleichzeitig muss die derzeitige Nutzung den Bedarf der
gegenwärtigen Generationen befriedigen.
Der zweite Aspekt
betrifft unser Konsumverhalten, da eine einfache Substitution des
fossilen Verbrauchs durch einen biobasierten Verbrauch nicht ohne
weiteres möglich sein wird. Ein Beispiel ist die effizientere Nutzung
pflanzlicher Biomasse bei vegetarischer und veganer Ernährung im
Vergleich zur heutigen fleischlastigen Ernährung in den westlichen
Ländern. Eine ähnliche Dimension ist die Forderung nach weniger
Lebensmittelverschwendung bei Produktion und Konsum durch verbesserte
bioökonomische Praktiken und Konsumverhalten.
Der dritte Aspekt
besteht darin, dass Wissensgenerierung über nachhaltige Optionen der
Bioökonomie in der Zukunft eine Aufgabe für heutige Generationen ist,
die – wenn sie nicht richtig entwickelt und unterstützt wird – die
Wissensbasis zukünftiger Generationen einschränkt, um auf einer soliden
wissenschaftlichen Basis zu handeln.
Der vierte Aspekt ist die
treuhänderische Bewirtschaftung der Natur. Diese zukünftige
Nutzungsmöglichkeit stellt natürliche Ressourcen wie z. B. die
natürliche genetische Vielfalt für zukünftige Generationen zur
Verfügung. Dieser nutzungsorientierte Aspekt ergänzt und deckt sich mit
den allgemeinen Ansichten über den Reichtum der Biodiversität für den
Naturschutz und die Ökosystemleistungen.
Dieses
Teilprojekt wird die Entwicklung der regionalen Biodiversität in den
letzten 200 Jahren unter besonderer Berücksichtigung des normativen
Rahmens beschreiben. Auf der Basis des aktuellen Kenntnisstands über die
Biodiversität in der Region Bonn/Rhein-Sieg soll dargestellt werden,
inwieweit sich Bestandteile der hier definierten regionalen
Biodiversität verschoben haben, wie ihr aktueller Zustand ist und welche
wahrscheinlichen Entwicklungen unter den Bedingungen des Klimawandels
modelliert werden können. Auf dieser Grundlage wird eine tragfähige
normative Definition von Biodiversität im spezifischen Kontext der
intergenerationellen Gerechtigkeit unter Berücksichtigung ihrer
divergierenden Aspekte untersucht.
Die wichtigsten Aspekte der
Biodiversität im Zusammenhang mit der intergenerationellen Gerechtigkeit
lassen sich in drei Kategorien einteilen, die den Ausgangspunkt der
Untersuchungen bilden: Funktionale Biodiversität,
Stewardship-Biodiversität und wahrgenommene Biodiversität. Diese
Kategorien bieten einen direkten Anhaltspunkt für eine qualifizierte
Bewertung von Trends.
Funktionale Biodiversität bezeichnet
hierbei das Komplement von Arten und Lebensräumen, die die
Funktionalität, die Integration und die Leistungen von Ökosystemen
aufrechterhält. Diese kann anhand der pflanzengenetischen Ressourcen
untersucht werden. Die Stewardship-Biodiversität, die eine Form der
Treuhänderschaft für die Artenvielfalt zum Ausdruck bringt, kann anhand
der Trends bei den so genannten „Verantwortungsarten“ und „geschützten
Lebensräumen“ untersucht werden. Schließlich kann die wahrgenommene
Biodiversität – die sich besonders greifbar und markant darbietenden
Erscheinungsformen der Artenvielfalt – untersucht werden, indem z. B.
die Entwicklung der Vielfalt und Fülle einer ausgewählten Gruppe von
Organismen untersucht wird, die besondere Aufmerksamkeit der Bevölkerung
genießen (z. B. Vögel und Wälder). Die regionale Biodiversität wird
unter den Bedingungen von Klimawandelszenarien beschrieben und
modelliert, wobei die wichtigsten Trends identifiziert werden,
insbesondere für geschützte Lebensräume und Arten, pflanzengenetische
Ressourcen und wahrgenommene Biodiversität.
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